Marktversagen und damit verbundene Ineffizienzen können dadurch getrieben sein, dass nicht alle Kosten und Nutzenaspekte einer Entscheidung in die individuelle Optimierung eingehen
William S. Vickry sagte 1963
“In no other major area are pricing practices so irrational, so out of date, and so conducive to waste as in urban transportation ”
Teamarbeit: Was könnte er damit gemeint haben?
Viele Kosten des Autofahrens in Innenstädten sind nicht eingepreist
Würden die Kosten eines gefahrenen Kilometers dies reflektieren, würden Autofahrer:innen andere Entscheidungen treffen
In dieser Vorlesung beschäftigen wir uns mit
diesen Externalitäten
ökonomischer Entscheidungen
dem besonderen Fall der öffentlichen
Güter
Wir analysieren also den zweiten Grund für Marktversagen
2. Externalitäten und öffentliche Güter
Unvollständige und asymmetrische Information
Menschliches Verhalten
Ziele
Externalitäten und ihre Lösungsmöglichkeiten verstehen und anwenden
Das Problem der Bereitstellung öffentlicher Güter verstehen
Ressourcen
Kapitel im Varian: 35, 37
Goolsbee, Levitt, and Syverson (2014, GLS), “Mikroökonomik”, Stuttgart: Schäfer-Poeschel. Kapitel 16
YouTube, ChatGPT
Externe Effekte
sind soziale Konsequenzen individuellen Handelns, deren Kosten oder Nutzen nicht im individuellen Kalkül eingepreist sind
Akteure basieren Entscheidungen auf private
Opportunitätskosten bzw. individuellen Nutzen und ignorieren soziale
Auswirkungen
Es gibt sowohl positive als auch negative Externalitäten
Zumeist klassifizieren wird externe Effekte nach dem Ort ihrer Entstehung: Im Konsum
oder in der Produktion
Teamarbeit: Überlegen Sie sich Beispiele für jede dieser Kategorien und tragen Sie sie in dieser Matrix ein:
positiv | negativ | |
---|---|---|
im Konsum | ||
in der Produktion |
positiv | negativ | |
---|---|---|
im Konsum | Mülltrennung Photovoltaikanlagen |
Laute Musik Autofahren |
in der Produktion | Innovation Mitarbeiterschulung |
Umweltverschmutzung Ablehnung durch Versicherungen |
Im perfekten Wettbewerb bieten Stromproduzenten zu ihren individuellen Grenzkosten \(MC_I\) an
Darüber hinaus entstehen durch Luftverschmutzung externe Grenzkosten \(EMC\)
Für die Wohlfahrtsanalyse des Strommarktes sind die sozialen Grenzkosten \(SMC=MC_I + EMC\) relevant
Durch die Externalität entsteht ein Wohlfahrtsverlust, da Strom erzeugt wird, dessen Preis unterhalb der tatsächlichen Opportunitätskosten liegt
Analoge Überlegungen gibt es für Konsument:innen und für positive externe Effekte
Das Ziel: Internalisierung
der Externalitäten
Die Herausforderung
Es gibt definitionsgemäß keine Märkte, die Preise für externe Effekte
festlegen
Es gibt oft keine anderen Mechanismen, die Kosten und Nutzen steuern
Lösungen
Regulierung und Steuern
Eigentumsrechte
(Unternehmenszusammenschluss bei Produktionsexternalitäten)
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, wie der Staat Unternehmen zwingen kann, die externen Effekte zu internalisieren
Pigou
Steuern
Mengenbeschränkungen wie Quoten bzw. Rechte
Bereitstellung durch die öffentliche Hand
Teamarbeit: Gehen Sie zurück auf Folie 7 und diskutieren Sie, wie Sie diese Instrumente einsetzen würden.
Der Staat kann eine Lenkungssteuer einsetzen
Die Steuer wird dabei so gewählt, dass sie den externen Effekt gerade kompensiert
Der Marktpreis stellt sich genau so ein, dass ein effizientes Gleichgewicht erreicht wird
Alternativ kann die Menge eines Gutes beschränkt werden
Die Grenzkosten steigen bei einer Übertretung massiv an
Beispiele: Fangquoten in der Fischerei, Jagdquoten
Die Bereitstellung durch den Staat ist eine Spezialform der Mengenbeschränkung
In der Praxis können wir nur versuchen, grob in die richtige Richtung zu steuern
Der Staat muss über unrealistische Mengen an Information verfügen
Verteilung der Einnahmen
Die Durchsetzung an sich ist teuer
Preisfrage: Welcher Mechanismus kann die meisten dieser Probleme prinzipiell lösen??
Oft entstehen keine Märkte, da Eigentumsrechte fehlen
Luft, Ruhe, viele andere Ressourcen, Klima
Wissensübertragung, Ausbildung von Mitarbeiter:innen etc.
Die Einführung von Eigentumsrechten erlaubt es den beteiligten Akteuren zu tauschen
Relative Preise zeigen Knappheit des Gutes an
Individuelle Nachfrage wird durch soziale Nachfrage ergänzt, da auf dem Markt alle Aktuere präsent sein können
Wir betrachten nun das Beispiel des Rauchens (enge Anlehnung an Varian)
Das Rauchen erzeugt eine negative Konsumexternalität, da der Preis der Zigaretten nicht den Nutzenverlust der Nichtraucherin abdeckt
Klar definierte (Eigentums-)Rechte können hier Abhilfe schaffen
Person A ist Nichtraucher und schätzt sowohl Geld als auch saubere Luft (blaue Indifferenzkurven)
Person B raucht gerne und wertschätzt Geld (schwarze Indifferenzkurven)
Das freie Rauchen ist offensichtlich nicht Pareto-effizient
Person A sollte dafür zahlen können, dass Person B weniger raucht
Auch das volle Nichtrauchen ist nicht Pareto-effizient, da Person B gerne raucht
Person B sollte Person A für den Nutzenverlust kompensieren können
Nota bene: Natürlich hat das Rauchen weitere gesellschaftliche Externalitäten (Krankheitskosten)
Wir können festhalten:
Durch Externalitäten verursachtes Marktversagen kann durch handelbare Eigentumsrechte geheilt werden
Coase-Theorem
Gibt es keine Einkommenseffekte (haben Akteure quasi-lineare Präferenzen) ist es unerheblich, wem die Eigentumsrechte zugesprochen werden – die Externalität ist adressiert und hat ein bestimmtes Niveau.
Mit anderen Worten, Akteure können jedes Externalitätenproblem durch Verhandlungen lösen, solange es verfügbare Eigentumsrechte gibt
Verfügbarkeit der Eigentumsrechte
Transaktionskosten
Dazu zählen u.a. Rechtskosten, Suchkosten, Kommunikationskosten, und Kosten von Verhandlungsmacht
Coase’ Artikel “The Problem of Social Cost” (1960) beschreibt eindrucksvoll, warum Transaktionskosten so problematisch sind
Grundlage für seinen Nobelpreis 1991
Verteilungsprobleme
Kein anderes Marktversagen
Eine besonders häufige Form von Externalitäten tritt im Zusammenhang mit Gütern auf, die der Allgemeinheit gehören
Nehmen wir als Beispiel eine Weide in der Mitte eines Dorfes
Viele weitere Beispiele: Fischerei, Wälder etc.
Teamarbeit: Worin besteht die Externalität in diesem Fall? Was ist die Auswirkung?
Teamarbeit: Wie könnte das Allmendeproblem gelöst werden?
Übergang von Gemein- zu Privateigentum und zu freiem Markt
Verringerung von Skalenerträgen, Wissens-spill-overs und anderen positiven Effekten
Marktversagen
Regulierung bzw. wohltätige Diktatur
Ineffizienzen durch fehlende Information
Ausnutzung politischer Macht
(Neue) Institutionen
Elinor Ostrom: Selbstorganisation mit glaubwürdiger Selbstverpflichtung oder gesellschaftlichen Kontrollmechanismen
Wiederholte Interaktion erzeugt relationale Verträge
Erste weibliche Nobelpreisträgerin in den Wirtschaftswissenschaften, 2009
Eine enorme Menge an Gütern und Dienstleistungen wird vornehmlich durch die öffentliche Hand bereitgestellt
Schulausbildung, Universitätsausbildung
Wissen (Forschung und Entwicklung)
Landesverteidigung, Verwaltung, soziales Sicherungssystem
Teamarbeit: Warum ist das so? Gibt es Alternativen?
Es ist nützlich, Güter anhand von zwei Eigenschaften zu klassifizieren
Rivalität
: Wie stark beschränkt die Nutzung durch eine “Person” die Nutzung durch andere?
Ausschließbarkeit
: Wie teuer ist es, “Personen” von der Nutzung des Gutes auszuschließen?
Teamarbeit: Finden Sie jeweils ein Beispiel für ein Gut mit hoher und mit niedriger Rivalität bzw. Ausschließbarkeit
Hierauf aufbauend können wir eine Taxonomie erstellen
Ausschließbarkeit | |||
---|---|---|---|
hoch | niedrig | ||
Rivalität | hoch | Privates Gut | Allmendegut |
niedrig | Klubgut | Öffentliches Gut |
Das Problem öffentlicher Güter ist, dass sie vom privaten Markt nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden
Es gibt positive Externalitäten…
… sodass es zum Trittbrettfahrerproblem
kommt
Wir gehen folgendermaßen vor
Horizontale Aufsummierung, da jede:r seine eigene Einheiten konsumiert
Vertikale Aufsummierung, da es keine Rivalität und keine Ausschließbarkeit gibt
Die formale Bedingung für die optimale Bereitstellung öffentlicher Güter in einem Land mit Population \(N\) lautet
\[ \sum_i^N |MRS_{Ö,P}^i| = |MRT_{Ö,P}| = MC_Ö \]
\(Ö\) und \(P\) stehen für ein öffentliches Gut (Schulen) und ein privates Gut (Geld)
Optimalerweise wird Ö erhöht, bis die gemeinschaftliche Zahlungsbereitschaft den Opportunitätskosten entspricht
Die individuellen Zahlungsbereitschaften sind normalerweise niedriger
Die Bedingung ist nach Paul Samuelson benannt, einem der wichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts
Zwei Personen \(i=1, 2\) haben Präferenzen über ein privates (\(x_i\)) und ein öffentliches Gut (\(F\))
\[ u_i(x_i,F) = 2 \ \mathrm{log}(x_i) + \underbrace{\mathrm{log}(F)}_{\text{Externalität}} \]
Die Menge/Qualität des öffentlichen Gutes hängt direkt von den Zahlungen \(F_i\) der Personen ab
\[ F = F_1 + F_2 \]
Die Budgetbeschränkung lautet \(x_i + F_i = 100\); die Grenzkosten des öffentlichen Gutes sind \(MC_F = 1\)
Die sozial optimale Menge ist durch die Samuelson Bedingung bestimmt
\[ \underbrace{\frac{\frac{\partial u(x_1,F)}{\partial F}}{\frac{\partial u(x_1,F)}{\partial x_1}}}_{MRS_{F,x}^1} + \underbrace{\frac{\frac{\partial u(x_2,F)}{\partial F}}{\frac{\partial u(x_2,F)}{\partial x_1}}}_{MRS_{F,x}^2} = \frac{x_1}{2F}+\frac{x_2}{2F} = \frac{100-F_1+100-F_2}{2F} = \frac{200-F}{2F} = MC_F = 1 \]
Die effiziente Menge \(F^{opt}\approx 66.7\)
Aber würden diese beiden rationalen Personen \(F^{opt}\) wählen?
Person \(i\) wählt ihren Beitrag \(F_i\) um ihren individuellen Nutzen zu maximieren; dabei nimmt sie den Beitrag \(\bar{F}_{j\neq i}\) als gegeben hin
\[ \mathrm{max}_{F_i} \ \ \ 2 \ \mathrm{log}(x_i) + \mathrm{log}(F_i + \bar{F}_j) \ \ \ \text{u.d.N.} \ \ \ x_i + F_i=100 \]
Die Bedingung erster Ordnung gibt uns die Reaktionsfunktion
\[ \frac{-2}{100-F_i^*} + \frac{1}{F_i^* + \bar{F}_j} = 0 \ \ \Leftrightarrow \ \ F_i^* = \frac{100-2\bar{F}_j}{3} \]
Durch den Schnittpunkt der beiden finden wir das Nash-Gleichgewicht
\[ F_1^* = F_2^* = 20, \ \ \text{sodass} \ \ F^* = 40 < F^{opt} \]
Im dezentralen Gleichgewicht vernachlässigen beide Personen ihre positiven Externalitäten; es ist ineffizient
Hohe Nachfrage nach einem Gut
Gibt es einzelne Personen deren Zahlungsbereitschaft in Summe die Bereitstellungskosten übersteigt, wird ein öffentliches Gut immer angeboten (siehe Varian 37.1)
Auch die Qualität/Menge kann so relativ hoch sein (z.B. Museen, Theater, Oper)
Altruismus, Warmes Leuchten (“warm glow”), Reziprozität, Sozialer Druck
Berücksichtigen Menschen auch den Konsum anderer in ihrer Nutzenfunktion, ist die Externalität internalisiert (Armenspende)
Der eigene Beitrag kann direkt Nutzen stiften: Man fühlt sich gut, weil man das Richtige tut (man gibt zurück, man hat ethische Prämissen)
Nicht-geben kann soziale Kosten haben
In allen demokratischen Ländern wird direkt oder indirekt über die Bereitstellung öffentlicher Güter abgestimmt
Die Güter werden dann aus dem Steuersäckel bezahlt, also per “Zwangsabgabe”
Die Bereitstellung ist typischerweise ineffizient und verdrängt private Beiträge
Ein einfaches Beispiel zur Abstimmung
Es wird nur über ein Ausgabenniveau abgestimmt
Jede:r Wähler:in hat eingipfelige
Präferenzen und bevorzugt strikt genau ein Niveau
Es wird im Mehrheitswahlrecht über Ausgabenniveaus (nicht über diskrete Parteien) abgestimmt
Probleme
Das präferierte Ausgabenniveau des Medianwählers ist typischerweise zu hoch oder zu niedrig
Wenn Präferenzen nicht eingipfelig sind, kann es zu Intransitivität der sozialen Präferenz kommen und man kreist um verschiedene Alternativen
Wählen Sie eines der Beispiele auf Folie 8 und erklären Sie anhand dessen die Konzepte “externe Grenzkosten” und “soziale Grenzkosten”. Erläutern Sie außerdem, wie in diesem Fall eine Regulierung durch den Staat aussehen könnte. Welche Herausforderungen gibt es dabei?
Nehmen wir an, es gibt auf einem Stück Land zwei Bauernhöfe. Im Grundbuch sind keine Rechte an diesem Land eingetragen. Beide Bauern lassen ihre Kühe jeweils frei grasen. Erklären Sie, zu welcher Externalität es hier kommt. Welche Lösung würde Ronald Coase vorschlagen?
Erklären Sie den Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Gütern.
Welche Arten der Bereitstellung öffentlicher Güter gibt es? Welche Vor- und Nachteile können Sie nennen?
© Prof. Frank Pisch PhD | Fachgebiet Mikroökonomie